Freier Wille und Veränderung: Gamification für Change Management
Wir beschäftigen uns mit der Frage nach dem freien Willen und untersuchen & argumentieren, dass unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Wir werden auch darauf eingehen, ob diese Erkenntnis uns eine gewisse Form von freiem Willen ermöglicht und wie Veränderung möglich ist. Gibt es Gamification für Change Management?
Die Illusion des freien Willens
Es gibt eine weit verbreitete Annahme, dass wir Menschen über einen freien Willen verfügen und dass unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen (allein) auf unserer individuellen Wahl basieren. Seit Jahren verfolge ich die Arbeit von Dr. Robert Sapolsky, der auch Autor des Buches: ‚Determind: Life Without Free Will‚ ist (2023). Sapolsky argumentiert, dass unser vermeintlicher freier Wille tatsächlich von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. Diese Faktoren umfassen die sensorische Umgebung, Hormonspiegel, Neuroplastizität, Genetik und kulturelle Erziehung.
Robert Sapolsky. Professor der Biologie, Neurowissenschaft und Neurochirurgie an der Stanford University
Unsere sensorische Umgebung, also all das, was wir sehen, hören, fühlen und erleben, prägt unser Gehirn und beeinflusst unsere Entscheidungsfindung. Studien haben gezeigt, dass Menschen in unterschiedlichen Umgebungen unterschiedliche Entscheidungen treffen. Wenn wir zum Beispiel in einer lauten und hektischen Umgebung sind, fällen wir möglicherweise impulsivere Entscheidungen als in einer ruhigen und nachdenklichen Umgebung.
Unsere Hormonspiegel spielen ebenfalls eine Rolle bei unseren Entscheidungen. Hormone wie Dopamin, Serotonin und Cortisol können Emotionen und Stimmungen beeinflussen, was sich wiederum auf unsere Entscheidungen auswirkt. Wenn wir beispielsweise einen hohen Dopaminspiegel haben, sind wir eher geneigt, risikoreiche Entscheidungen zu treffen.
Die Neuroplastizität, also die Fähigkeit unseres Gehirns, sich anzupassen und zu verändern, spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Beeinflussung unserer Entscheidungen. Unsere Gehirnzellen können sich je nachdem, welche neuronalen Netzwerke häufig aktiviert sind, stärker oder schwächer miteinander verbinden. Das bedeutet, dass unsere prägenden Erfahrungen und Gewohnheiten unsere Entscheidungsprozesse beeinflussen.
Auch die Genetik trägt zu unseren Entscheidungen bei. Studien haben gezeigt, dass bestimmte genetische Variationen mit bestimmten Verhaltensweisen und Entscheidungsmustern korrelieren können. Natürlich ist die Genetik nicht der alleinige Faktor, aber sie kann eine Rolle bei der Adaption für bestimmte Verhaltensweisen spielen.
Und schließlich ist auch die kulturelle Erziehung ein maßgeblicher Einflussfaktor auf unsere Entscheidungen. Die Werte, Normen und Überzeugungen, die wir durch unsere kulturelle Erziehung vermittelt bekommen, beeinflussen unsere mentalen Modelle und den Rahmen, in dem wir Entscheidungen treffen. Was als „richtig“ oder „falsch“ angesehen wird, wird von Kultur zu Kultur unterschiedlich definiert.
All diese Faktoren sind miteinander verflochten und lassen keinen Raum für ein separates Konzept des freien Willens. Unser vermeintlicher freier Wille ist vielmehr das Produkt einer komplexen Interaktion zwischen sensorischer Umgebung, Hormonspiegeln, Neuroplastizität, Genetik und kultureller Erziehung.
Das bedeutet nicht, dass wir keine Entscheidungen treffen können oder dass wir keine Verantwortung für unser Handeln tragen. Aber es bedeutet, dass unsere Entscheidungen von einer Vielzahl von Einflüssen beeinflusst werden, die wir nicht vollständig kontrollieren können.
Die Möglichkeit der Veränderung
Nun stellt sich die Frage, ob die Anerkennung der Einflüsse um uns herum uns einen kleinen Funken freien Willens geben kann. Dieser Funken lässt uns glauben, dass kontrollierte Veränderung möglich ist. Allerdings, und dies zieht sich wie ein roter Faden durch eine Vielzahl von Forschungsergebnissen von Spalosky, ändert das nichts an der Situation, dass es uns nicht wirklich ermöglich ist, uns selbst zu verändern.
Es ist faszinierend, wie sich das Verhalten von Lebewesen durch äußere Einflüsse beeinflussen lässt. Wir erleben es immer wieder, dass unsere Umgebung eine starke Rolle bei der Veränderung unseres Verhaltens spielt.
Ja natürlich…wir können von unserer Umgebung beeinflusst werden und Veränderungen in unserem Verhalten zeigen. Aber die Fähigkeit, bewusst und absichtlich unser Verhalten zu ändern, geht über diese Einflüsse hinaus.
Die Vorstellung von freiem Willen und der Möglichkeit, uns selbst zu verändern, ist ein komplexes Thema. Es gibt viele philosophische, wissenschaftliche und ethische Debatten darüber, ob der freie Wille existiert und inwieweit wir die Fähigkeit haben, uns selbst zu verändern: Wie stark sind wir tatsächlich von unseren Umgebungseinflüssen abhängig? Und kann der Wille allein ausreichen, um uns selbst zu verändern?
Dies sind Fragen, auf die keine einfache Antwort existiert. Sie erfordern eine tiefere Reflexion und Diskussion darüber, was es bedeutet, sich selbst zu verändern und wie wir unsere Umgebung beeinflussen können, um Veränderungen herbeizuführen.
Neurobiologie und Veränderung
Mit beeindruckender Genauigkeit hat die Forschung gezeigt, dass die Neurobiologie bei der Konditionierung von z.B. Meeresschnecken genauso funktioniert wie bei Säugetieren. Diese Erkenntnis betont die Konservierung bestimmter Wege im Gehirn, die für Lernprozesse und Veränderungen verantwortlich sind.
Die Art und Weise, wie sich unser Gehirn entwickelt und verändert, ist faszinierend. Es beeinflusst unsere Reaktionen, Emotionen und unser Verhalten auf vielfältige Weise.
Es wird deutlich, dass unsere Gehirnreaktionen auf optimistische Reize durch unser Verständnis von Veränderung beeinflusst werden können. Wenn wir uns bewusst werden, dass Veränderung möglich ist und dass wir die Fähigkeit haben, uns anzupassen und zu wachsen, neigen wir dazu, nach positiveren Informationen zu suchen. Unser Gehirn wird darauf trainiert, flexibler zu sein und neue Wege zu erkunden.
Dieses Wissen hat große Auswirkungen auf unser alltägliches Leben. Indem wir uns dessen bewusst werden, dass wir das Potenzial haben, uns zu verändern, bringen wir eine positive Veränderung in unseren Denkprozessen und Handlungen hervor. Wir werden motiviert, nach neuen Möglichkeiten zu suchen und unsere Grenzen zu erweitern.
In einer Welt, die so schnelllebig ist wie unsere, ist die Fähigkeit zur Anpassung und Veränderung von entscheidender Bedeutung. Die Neurobiologie zeigt uns, dass Veränderung tatsächlich möglich ist und dass unser Gehirn bereit ist, Veränderungen anzunehmen und zu integrieren.
Die Neurobiologie und ihre Verbindung zur Veränderung eröffnen eine Fülle von Möglichkeiten für die persönliche und berufliche Entwicklung. Es liegt an uns, die Erkenntnisse aus der Forschung zu nutzen und unsere Gehirnreaktionen bewusst zu beeinflussen, um positive Veränderungen in unserem Leben herbeizuführen.
Beispiele für Veränderung
Die Geschichte ist voll von inspirierenden Beispielen für Veränderung. Menschen wie Nelson Mandela und Martin Luther King haben gezeigt, dass es möglich ist, selbst unter den widrigsten Umständen etwas zu bewirken und die Welt zum Besseren zu verändern. Ihre Errungenschaften sind nicht nur beeindruckend, sondern geben uns auch Hoffnung und Motivation, unsere eigenen Herausforderungen anzugehen.
Nelson Mandela, der südafrikanische Anti-Apartheid-Aktivist und spätere Präsident, ist ein lebendiges Beispiel für Widerstand und Veränderung. Er verbrachte 27 Jahre seines Lebens im Gefängnis, weil er gegen die rassistische Politik der Apartheid kämpfte. Obwohl er während seiner Haft physisch und emotional gelitten hat, gab er niemals auf. Nach seiner Freilassung setzte er sich weiterhin für Gerechtigkeit und Versöhnung in Südafrika ein und wurde zum Symbol für Frieden und Einheit.
Auch Martin Luther King, der amerikanische Bürgerrechtler, kämpfte gegen Ungerechtigkeit und Rassendiskriminierung. Sein bekanntester Moment war seine berühmte Rede „I Have a Dream“, in der er sich für Gleichheit und Freiheit für alle Amerikaner einsetzte. King organisierte friedliche Proteste und führte die Bürgerrechtsbewegung an. Obwohl er mit Gewalt und Widerstand konfrontiert war, setzte er sich gewaltfrei für seine Überzeugungen ein und inspirierte Millionen von Menschen weltweit.
Die Geschichten von Mandela und King zeigen uns, dass Veränderung möglich ist, selbst unter den schwierigsten Umständen. Sie ermutigen uns, unsere eigenen Kämpfe anzunehmen und für das einzustehen, woran wir glauben. Doch sie sind nicht die einzigen Beispiele für Veränderung, die uns inspirieren können.
Wir können auch in der Wissenschaft Beispiele für veränderte Neurochemie finden. Die Erforschung des menschlichen Gehirns hat gezeigt, dass sich unsere Neurochemie ändern kann, je nachdem, welche Erfahrungen wir machen und welche Gedanken und Emotionen wir pflegen. Dies bedeutet, dass wir selbst die Fähigkeit haben, unsere Denkweise und unsere Emotionen zu beeinflussen und positive Veränderungen in unserem Leben herbeizuführen.
Indem wir nach weiteren Beispielen für veränderte Neurochemie suchen, können wir uns selbst inspirieren und motivieren. Wenn wir sehen, wie andere Menschen ihre Lebensumstände verbessert haben, können wir lernen, aus ihren Erfahrungen zu wachsen und neue Wege für uns selbst zu entdecken. Es gibt unzählige Geschichten von Menschen, die trotz Schwierigkeiten, Ängsten oder negativen Denkmustern positive Veränderungen in ihrem Leben erreicht haben.
Es liegt an uns, diese Beispiele zu suchen und von ihnen zu lernen. Wir können uns mit Menschen umgeben, die uns inspirieren und motivieren, positive Veränderungen anzugehen. Wir können unsere Denkmuster und Gewohnheiten überprüfen und gezielt an unserer Neurochemie arbeiten. Mit der richtigen Einstellung und Entschlossenheit können wir unser eigenes Potenzial entfalten und ein erfülltes Leben führen.
Also, seien Sie neugierig, suchen Sie nach Beispielen für Veränderung in der Welt und in der Wissenschaft. Lassen Sie sich von den Geschichten von Menschen wie Nelson Mandela und Martin Luther King inspirieren und nutzen Sie ihr Erbe, um Ihre eigene Neurochemie zu verändern und positive Veränderungen in Ihrem Leben herbeizuführen.
Der Wert der Veränderung
Sapolsky argumentiert also, dass obwohl Veränderung schwierig sein kann, die Anstrengung, bessere Menschen zu sein, dennoch lohnenswert ist.
Veränderung kann eine Herausforderung sein. Es erfordert oft Mut, Ausdauer und Entschlossenheit, um alte Gewohnheiten, Denkmuster und Verhaltensweisen zu überwinden. Es ist nicht immer leicht, sich von der Komfortzone zu lösen und neue Wege zu gehen.
Aber warum ist die Anstrengung, bessere Menschen zu sein, dennoch lohnenswert? Hier sind einige Gründe, warum Veränderung einen hohen Wert hat:
Persönliches Wachstum: Veränderung ermöglicht persönliches Wachstum und Entwicklung. Indem wir uns neuen Herausforderungen stellen und unsere Komfortzone verlassen, lernen wir mehr über uns selbst und entdecken neue Potenziale und Fähigkeiten.
Erfüllung und Glück: Stagnation kann zu Unzufriedenheit und Frustration führen. Durch Veränderung können wir uns neuen Herausforderungen stellen und unsere Ziele und Träume verwirklichen. Die Erfüllung, die wir durch das Erreichen neuer Meilensteine und das Überwinden von Hindernissen erfahren, führt zu einem tieferen Glücksgefühl.
Positive Einflussnahme: Wenn wir uns bemühen, bessere Menschen zu sein, können wir einen positiven Einfluss auf unser Umfeld haben. Unsere Veränderungen können andere inspirieren und motivieren, auch positive Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen. Indem wir ein Vorbild für andere sind, können wir dazu beitragen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen.
Veränderung erfordert also Engagement, Entschlossenheit und die Bereitschaft, sich auf neue Erfahrungen einzulassen. Es gibt möglicherweise Rückschläge und Herausforderungen auf dem Weg, aber das Resultat ist es wert.
Es sind die Veränderungen, die es uns ermöglichen, zu wachsen, unsere Beziehungen zu verbessern, Erfüllung zu finden und einen positiven Einfluss auf die Welt um uns herum zu haben.
Der Wert von Gamification für Change Management
Persönliches Wachstum,
das Verhindern von Stagnation &
das bewusste Erleben des individuellen Impacts
sind native Mechanismen in Gamification. In kaum einem anderen Zustand, wie dem spielerischen Mindset, folgen wir diesen drei Werten so intuitiv und selbstverständlich.
zu 1) Hier stellen wir uns freiwillig (rational betrachtet scheinbar unnötigen) Herausforderungen.
zu 2) Hier sind wir aktiv auf der Suche nach Neuem, dem Unbekannten und alles nur damit wir uns dieses ‚unbekannte‘ einverleiben können, es meistern können und es so zur ‚Komfortzone‘ werden zu lassen. Nur um dann möglichst rasch wieder nach dem Neuen zu trachten.
zu 3) Hier hoffen wir, nach all den persönlichen Herausforderungen, Rückschritten, Lernerfahrungen und Überraschungen letzten Endes einen positiven Impact auf ein Narrativ, eine Mission oder das Team mit dem wir gemeinsam unterwegs sind (Teamsport; Onlinespiele) zu haben.
Basierend auf Sapolskys Forschung, die zeigt, wie stark unsere Umgebung unser Verhalten beeinflusst, erkennt man den Match zum Human-Centered-Design Ansatz von Gamification.
Fazit
Wir sind also die Summe unserer Biologie und ihrer Wechselwirkung mit der Umwelt. Wir haben gesehen, dass diese Ansicht nicht zu Hoffnungslosigkeit oder Resignation führen sollte, sondern zu der Erkenntnis, dass Veränderung möglich ist und es wert ist, angestrebt zu werden.
Es ist wichtig zu verstehen, dass unsere Biologie und unsere Umwelt miteinander verbunden sind. Unsere Gene und unser Erbgut spielen eine Rolle in unseren Eigenschaften und unserem Verhalten, aber sie sind nicht die einzigen Faktoren, die uns ausmachen. Unsere Umwelt, unsere Erfahrungen und die Menschen um uns herum prägen uns ebenfalls.
Es gibt viele Möglichkeiten, Veränderungen anzustreben. Wir können unsere Einstellungen und Denkmuster überprüfen und verändern. Wir können uns neue Fähigkeiten und Kompetenzen aneignen. Wir können Hilfe und Unterstützung von anderen suchen. Veränderung erfordert Arbeit und Anstrengung, aber sie lohnt sich.
Es ist wichtig anzuerkennen, dass wir nicht immer die volle Kontrolle über unsere Umstände haben. Es gibt Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Aber auch in solchen Situationen können wir lernen, unsere Reaktionen und unseren Umgang mit den Umständen zu beeinflussen. Wir können lernen, uns anzupassen und das Beste aus der Situation zu machen. Wir können auch lernen, solche Situationen nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere zu schaffen.
Der Schlüssel zur Veränderung liegt in der Erkenntnis, dass wir Verantwortung für unser und auch das Verhalten anderer um uns herum, teilweise, haben. Man kann andere nicht nicht beeinflussen.
Dies führt auch zu einer der, jedenfalls für mich persönlich, tiefgreifendsten Erfahrungen im Gamificationdesign: Anstatt zu versuchen das Individuum direkt zu ‚überzeugen‘, wie wir es z.B. im klassischen Sinne mit extrinsischen Motivatoren versuchen, kann Gamification vor allem im Kontextdesign funktionieren, um Rahmenbedingungen (für viele) zu setzen.
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